Anna Gesine Grummer wird am 5. März 1863 als zweites Kind von Johann Grummer und Catharina Grummer auf dem elterlichen Hof in Altmoorhausen (heute: Henning Strudthoff) geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Johann Hermann Grummer und die ältere Schwester von Anna Mathilde Tönjes, Johann Diedrich Grummer, Helene Pflug, Friedrich Grummer und Hermann Grummer.
In den Wochen und Monaten um Anna Gesines Geburt tobt in einigen westlichen Provinzen des Russischen Reiches wie Kongresspolen, Litauen, Belarus und der Ukraine der Januaraufstand. Die überwiegend von Adeligen angeführte Revolte hat unter anderem zum Ziel, 68 Jahre nach der dritten Polnischen Teilung die russische Fremdherrschaft abzuschütteln und einen eigenen Staat zu errichten. In mehreren Manifesten versprechen die Initiatoren darüber hinaus Landreformen und die Gleichberechtigung jüdischer Bürger.
Der Aufstand steht jedoch von Beginn an unter einem schlechten Stern. So wird er im Januar 1863 überhastet ausgerufen, weil viele potenzielle Kämpfer von einer Einberufung zum russischen Militärdienst bedroht sind. Es fehlt an Waffen und vor allem an der nötigen Organisation. Viele Gruppen agieren unabhängig voneinander und müssen bei ihren separat geführten Angriffen auf russische Garnisonen anfangs empfindliche Niederlagen einstecken. Auch im weiteren Verlauf dominiert der Partisanen-Kampf. Was angesichts der ungleichen Kräfteverhältnisse nicht weiter verwundern kann – sind die regierungstreuen Truppen den Aufständischen doch zeitweise im Verhältnis 10 zu 1 überlegen. Insbesondere in Belarus finden Letztere zudem kaum Rückhalt: Die größtenteils orthodox geprägte ländliche Bevölkerung fühlt sich der Vision eines dreieinigen russischen Volkes näher als der Vorstellung, künftig in einem polnisch dominierten Staat zu leben.
Das stellt sich zwar in rein polnisch und somit katholisch geprägten Städten wie Warschau oder Lublin ganz anders dar. Doch auch sie bekommt der nationale Widerstand nicht dauerhaft unter Kontrolle. Am Ende setzt sich erwartungsgemäß die russische Seite durch. Als der Aufstand im Frühjahr 1864 zusammenbricht, verhängt der im Sommer 1863 neu ernannte Statthalter von Zar Alexander II., General Friedrich Wilhelm Rembert von Berg, drastische Strafen: Er lässt rund 400 Teilnehmer hinrichten und tausende weitere zu Zwangsarbeit verurteilen oder nach Sibirien deportieren. Etliche Adelsfamilien werden enteignet, im öffentlichen Leben sowie an Schulen und Universitäten setzt eine rigorose Russifizierung ein.
Eine Entwicklung, die potenzielle Bündnispartner Polens wie Großbritannien und Frankreich zwar nicht gerne sehen. Beide Länder können sich jedoch anders als ein Jahrzehnt zuvor im Krim-Krieg nicht zu einer Allianz gegen Russland durchringen. Preußen wiederum steht in diesem Konflikt eher auf Seiten Alexanders – fürchtet Ministerpräsident Otto von Bismarck doch bei einem Erfolg des Aufstands Unruhen in den von mehr als zwei Millionen Polen besiedelten Ost-Provinzen des Königreichs. Letztlich ist Polen jedoch Mitte der 1860er Jahre für Bismarck nur ein Neben-Schauplatz: Im Zentrum seiner Politik steht die bis 1871 in drei Kriegen errungene Einigung Deutschlands.
Im Preußisch-Österreichischen Krieg und im Deutsch-Französischen Krieg steht das Großherzogtum Oldenburg, zu dem Altmoorhausen gehört, fest an der Seite Preußens und entsendet eigene Truppen. Entsprechend gelöst dürfte die Stimmung sein, als im Januar 1871 die Nachricht vom Sieg gegen Frankreich und der Ausrufung des Kaiserreichs in Anna Gesines Heimatdorf die Runde macht. Sie selbst besucht zu diesem Zeitpunkt bereits seit zwei Jahren die von ihrem Elternhaus lediglich 350 Meter entfernte Volksschule. Dort tritt einige Monate später mit Johann Bernhard Oxen ein neuer Schulleiter seinen Dienst an, unter dessen Regie vermutlich Anfang September 1871 im Dorf und auch in der Schule selbst erstmals des vorentscheidenden Sieges der deutschen Truppen in der Schlacht von Sedan am 2. September 1870 gedacht wird.
Sind im darauffolgenden Jahr die Sedan-Feierlichkeiten der „Hotspot“ einer Epidemie, wie man heute sagen würde? Oder steht am 2. September 1872 den Altmoorhausern aufgrund zahlreicher mit Ruhr infizierter Kinder und Erwachsener im Dorf der Sinn schon nicht mehr nach Feiern? In den folgenden Wochen kommt es jedenfalls zu einer fast schon dramatischen Serie von auf die Seuche zurückgehenden Sterbefällen. Unter den Toten sind nicht nur Lehrer Johann Bernhard Oxen und zwei seiner Kinder, es trifft auch Anne Gesine. Sie stirbt am 18. September 1872 und wird fünf Tage später in Hude auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche beerdigt.