Gerhard August Rüscher wird am 12. Januar 1875 als drittes oder viertes Kind von Hinrich Gerhard Rüscher und Gesche Margarete Rüscher in Petersfehn geboren. Er ist der jüngere Bruder von Meta Jasper und Elise Gesine Rüscher, der Zwillingsbruder von Eilert Rüscher und der ältere Bruder von Mathilde Rüscher, Anna Eckmeyer und Dorothee Emilie Rüscher.
Der Beginn des Jahres 1875 markiert einen Umbruch in der deutschen Währungsgeschichte. Zwar gilt bereits seit der Gründung des Deutschen Reichs im Januar 1871 die Mark als offizielle Landeswährung. Parallel dazu kursieren jedoch mehr als 200 unterschiedliche Münzen und Geldscheine, ausgegeben von 33 privaten Notenbanken. Im Norden sind vor allem Taler und die dazugehörigen Groschen verbreitet, im Süden Gulden und Kreuzer. Um dieses Chaos zu beenden, führen die meisten Bundesstaaten zum 1. Januar 1875 Mark und Pfennig als einzig gültige Rechnungseinheit ein. Das Königreich Württemberg folgt allerdings erst im Juli 1875, Bayern sogar erst am 1. Januar 1876.
Trotz währungstechnischem Schlussstrich prägt das ständige Hin- und Herrechnen nach wie vor den Alltag vieler Menschen. Den Frust darüber bringt die Münchner Wochenschrift „Fliegende Blätter“ 1876 in folgendem Beitrag satirisch zugespitzt auf den Punkt: „Sie, Herr Lehrer, können Sie mir sagen, wie man 4 Kreuzer in Reichsmünzen umwandelt?“ – „Jawohl, gib obacht! Nimm die 4 Kreuzer, zieh’ die Quadratwurzel daraus, zähle 830 dazu und dividiere mit 416 darein; was rauskommt nimmst Du doppelt und schaust auf die Münzumrechnungstabelle, wie viel 4 Kreuzer in neuer Münzwährung ist.“
Mit Sicherheit ist auch Gerhards Familie zum Zeitpunkt seiner Geburt noch das Rechnen in Talern und Pfennigen gewohnt. Davon losgelöst ist heute nur noch wenig über ihre Verhältnisse bekannt. Gerhards Großvater Tönjes Gerhard Rüscher muss irgendwann in der Mitte des 19. Jahrhunderts aus der Wesermarsch ins Ammerland gezogen sein. Als nämlich Gerhards Eltern im September 1870 heiraten, ist im Kirchenbuch der Landgemeinde Oldenburg für den Vater des Bräutigams die Bezeichnung „Anbauer und Kirchenältester in Petersfehn“ vermerkt. Demzufolge führt Tönjes Gerhard Rüscher dort eine kleine Landwirtschaft, die Gerhards Vater – in dem Dokument als „Haussohn“ tituliert – später einmal erben soll. Ob und wann dies geschieht, ist nicht überliefert. Man kann jedoch davon ausgehen, dass Gerhard und seine Geschwister in eher ärmlichen Verhältnissen aufwachsen.
Nur wenige Kilometer entfernt reift zur selben Zeit unter komplett anderen Umständen ein Altersgenosse Gerhards heran, dessen Name noch heute eng mit seiner Heimatstadt Oldenburg verbunden ist: Theodor Francksen, Stifter des Stadtmuseums. Der am 2. April 1875 geborene Sohn des vermögenden Großhandelskaufmanns Theodor Francksen Senior erlebt im an der damaligen Rosenstraße gelegenen Familien-Domizil eine begüterte Kindheit und beginnt früh mit dem Sammeln jener Kunstgegenstände, die später den Grundstock des von ihm begründeten Museums bilden. Letztlich zeigen jedoch diese fast gleichzeitig beginnenden und doch so unterschiedlichen Lebensläufe exemplarisch auf, dass in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch beste Startbedingungen nicht davor schützen, ein in jener Zeit typisches Schicksal zu erleiden: Theodor Francksen erkrankt bereits als Schüler unheilbar an der Volksseuche Tuberkulose, Gerhard Rüscher und sein Zwillingsbruder Eilert nicht.
Während Eilert um die Jahrhundertwende herum in die USA auswandert und sich im Thurston County in Nebraska niederlässt, führt Gerhards Weg von Petersfehn nach Hurrel. Den Erzählungen von Frieda Barkemeyer zufolge arbeitet er als Knecht auf dem Hof von Heinrich Sparke (heute: Gerold und Annegret Sparke) und lernt dort die aus Sandtange stammende, trotz der Namensgleichheit nicht mit ihm verwandte Magd Meta Rüscher kennen. Wie in jenen Jahren häufig der Fall, kündigt sich aus dieser Beziehung im Frühjahr 1905 Nachwuchs an, ohne dass die werdenden Eltern bereits miteinander verheiratet sind. Letzteres eine Formalität, die Gerhard und Meta am 26. Mai 1905 in Hude nachholen.
Als die gemeinsame Tochter Martha im August 1905 geboren wird, wohnt das junge Paar bereits nicht mehr auf dem Sparke-Hof, sondern auf einem Gerhard Wieting gehörenden, in den 50er Jahren abgebrochenen Pachthof an der Hurreler Straße (heutige Besitzerin des kurz darauf auf dem Grundstück neu errichteten Wohnhauses: Inge Molde). Dort kommt im Februar 1907 auch das zweite Kind Georg zur Welt.
Noch während Meta mit dem dritten Kind schwanger ist, zieht die Familie ins Nachbardorf Altmoorhausen. Im dort am Pohlweg gemieteten Heuerhaus (heute: Ingo Fischer) bleibt am 24. Juni 1908 der Schrei des nächstgeborenen Sohnes allerdings aus, er verlässt den Mutterleib als Totgeburt. Über etwaige Komplikationen bei der Geburt der weiteren Kinder ist nichts bekannt – bis Juni 1912 kommen Else (September 1909), Adolf (April 1911) und der jüngste Sohn Herbert hinzu.
Während Gerhard Überlieferungen aus der Familie zufolge in den ersten Jahren nach dem Umzug weiter als Landarbeiter sein Geld verdient, nimmt er irgendwann nach Herberts Geburt eine Tätigkeit in der neu eröffneten Ziegelei Munderloh auf. Eine Beschäftigung, die jedoch zunächst nur von kurzer Dauer ist: Mit mehr als 70 anderen Männern aus Hurrel und Altmoorhausen zieht Gerhard in den im Sommer 1914 nur wenige Wochen nach dem tuberkulosebedingten Tod von Theodor Francksen ausbrechenden Ersten Weltkrieg.
In den 20er Jahren arbeitet Gerhard weiter auf der Ziegelei und erlebt neben der Hyperinflation auch die zunehmende Radikalisierung der politischen Lager in der Weimarer Republik. Wie schwierig die Lebensumstände für ihn und seine Familie in jenen Jahren sind und bleiben, zeigt sich unter anderem daran, dass beide Töchter als Hollandgängerinnen ihr Glück suchen. Bei der im Mai 1930 in Altmoorhausen gefeierten Silberhochzeit leben aber alle fünf Kinder wieder in der Nähe des Elternhauses. Im April 1932 eröffnet dann Georgs Sohn Günther den Reigen der Enkelkinder – bis zum Ende des Jahrzehnts kommen in beinahe jedem Jahr mehrere hinzu.
Gerhards letzte Lebensjahre sind überschattet vom 1939 ausbrechenden Zweiten Weltkrieg, der auch in seiner Familie Lücken reißt. Den Tod des jüngsten Sohns Herbert und des Schwiegersohns Gerhard Wachtendorf erlebt er allerdings nicht mehr mit: Gerhard stirbt am 17. November 1944 und wird wenige Tage später in Hude auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche beerdigt.