Johann Gorath wird am 18. Dezember 1876 als viertes Kind von Johann Christian Gorath und Anna Catharine Gorath auf dem elterlichen Hof in Lintel (heute: Hans Dieter und Lisa Gorath) geboren. Er ist der jüngere Bruder von Meta Catharine Johanne Mönnich, Gesine Sophie Johanne Bruns und Friedrich Gorath.
Eine Woche nach Johanns Geburt ereignet sich nahe der jütländischen Hafenstadt Horsens der bis dato folgenschwerste Eisenbahn-Unfall in der Geschichte Dänemarks. Die genauen Umstände des Unglücks, das neun Todesopfer fordert, sind bis heute ungeklärt. Über Weihnachten 1876 herrscht im ganzen Land Winterwetter mit starken Niederschlägen. Um die Strecke von etwaigen Schneeverwehungen zu räumen, besteigen in Aarhus am Morgen des 26. Dezember rund 100 Bahnbedienstete einen in Richtung Fredericia fahrenden Arbeitszug. Er besteht aus zwei Lokomotiven, drei Waggons und einem an der Spitze montierten Schneepflug. Auf Höhe der Ortschaft Hansted gibt es plötzlich einen heftigen Stoß, der die Waggons entgleisen lässt. Dabei sterben zwei Arbeiter, mehr als ein Dutzend weitere werden verletzt.
Den mit dem Schrecken davongekommenen Überlebenden bietet sich nach dem Aussteigen ein furchtbarer Anblick. Die hintere Lokomotive hat sich über die vordere geschoben, sieben der acht Besatzungsmitglieder sind tot oder erliegen kurz darauf ihren schweren Verletzungen. Allem Anschein nach ist die Kupplung zwischen den beiden Lokomotiven gebrochen, sodass der Abstand zwischen ihnen kurz vor dem Unfall stetig zunimmt. Als die erste im Schnee steckenbleibt, wird sie von der zweiten gerammt. Endgültig bestätigen lässt sich diese Vermutung bei den folgenden Untersuchungen allerdings nicht. So könnte durchaus auch menschliches Versagen eine Rolle gespielt haben.
Während in Dänemark Polizei und Bahnaufsicht noch über die Ursache rätseln, sorgt im US-Bundesstaat Ohio der Zusammenbruch einer Brücke für ein Eisenbahn-Unglück mit ungleich größerer Opferzahl. In den frühen Abendstunden des 29. Dezember 1876 stürzt ein mit 156 Menschen besetzter Personenzug 20 Meter tief auf den zugefrorenen Ashtabula River. Da die Waggons überwiegend aus Holz bestehen, gehen sie nach dem Aufprall in Flammen auf und lassen das Eis des Flusses schmelzen. Bei dem Inferno verlieren insgesamt 92 Insassen ihr Leben. Dieses Mal ist die Ursache Experten zufolge eindeutig: Sie werfen dem für den Brückenbau verantwortlichen Architekten Amasa Stone schwerwiegende Konstruktions- und Baufehler vor.
Mag sich die ursprüngliche Befürchtung mancher Skeptiker, Eisenbahnfahrten mit einer Geschwindigkeit von mehr als 30 Stundenkilometern seien ein Anschlag auf die Gesundheit aller Passagiere, auch rasch als Unsinn erwiesen haben, um eine Erkenntnis kommt man am Ende des Jahres 1876 nicht herum: Der Schienenverkehr birgt Gefahren. Auch in Deutschland. Seit 1835 sind rund ein Dutzend schwere Unfälle registriert. Beim folgenreichsten davon sterben 1871 auf der Bahnstrecke Trebnitz–Leipzig mindestens 19 gerade aus dem Deutsch-Französischen Krieg in die Heimat zurückgekehrte Soldaten, als eine Lokomotive und ein Personenzug kollidieren. Am Morgen des 13. März 1876 wiederum – dem am kürzesten zurückliegenden Unglück – stürzt ähnlich wie in Ohio ein zwischen Mülhausen und Straßburg verkehrender Zug von einer Brücke. Aufgrund der frühen Uhrzeit sind nur sehr wenige Fahrgäste an Bord, sodass lediglich ein Todesopfer zu beklagen ist.
Auf der Strecke Oldenburg–Bremen, die seit 1867 ganz in der Nähe von Johanns Elternhaus verläuft, sind derart gravierende Zwischenfälle bis dato ausgeblieben. Den Anblick dampfender Lokomotiven wird Johann von frühester Kindheit an gewohnt sein, ist doch auch der nächstgelegene, im Nachbardorf Wüsting eingerichtete Bahnhof weniger als drei Kilometer entfernt. Ob er in dieser Zeit selbst des Öfteren in Begleitung seiner Eltern oder der älteren Geschwister mitfährt, lässt sich nur vermuten. Ausgeschlossen ist das jedoch keineswegs, denn viele Wüstinger und Linteler Bauern nutzen die Bahn, um Waren auf dem Markt in Oldenburg zu verkaufen. Zumindest für den Hinweg, den rund zehn Kilometer langen Rückweg bewältigen sie dann der Kosten wegen häufig zu Fuß.
Der rund 15 Hektar große Hof, den Johanns Familie bewirtschaftet, liegt am äußersten westlichen Rand von Lintel, etwa auf halber Strecke zwischen Wüsting im Norden und Altmoorhausen im Süden. Ob Johann deshalb die dorfeigene, auf der östlichen Seite gelegene Volksschule besucht oder aufgrund der größeren Nähe in einem der genannten Nachbarorte eingeschult wird, lässt sich heute nicht mehr mit Gewissheit sagen. Gemäß Jüngstenrecht ist er als Hoferbe gesetzt, so dass er nach Schulabschluss und Konfirmation sehr wahrscheinlich von Beginn an im elterlichen Betrieb mitarbeitet. Seine beiden Schwestern, die 1893 und 1895 heiraten, haben den Gorath-Hof zu diesem Zeitpunkt möglicherweise schon verlassen. Bruder Friedrich, der später als Zimmermann in Wüsting arbeitet, dürfte irgendwann folgen – spätestens 1899, als er selbst heiratet und Johann seinen obligatorischen Militärdienst hinter sich gebracht hat.
Im Dezember 1902 – fünf Tage vor Johanns 26. Geburtstag – stirbt Vater Johann Christian im Alter von 66 Jahren. Bei der Beerdigung steht Johann vermutlich bereits seine künftige, aus Wüsting stammende Ehefrau Anna Mönnich zur Seite. Das nahezu gleichaltrige Paar heiratet am 19. Mai 1903 in Hude. Zehn Monate später, im März 1904, kommt Tochter Alwine zur Welt. Mit Johanne (September 1905), Mathilde (Januar 1907), Heinrich (August 1908) und Ella folgen bis zum 7. Juli 1914 vier weitere Kinder.
Während Johann und Anna der Geburt ihrer vierten Tochter entgegensehen, überschlagen sich in den Regierungszentralen der europäischen Großmächte die Ereignisse. Vor dem Hintergrund der Ermordung des österreichisch-ungarischen Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Ehefrau Sophie in Sarajevo durch serbische Nationalisten eine Woche zuvor debattieren Minister, Militärs, Präsidenten und gekrönte Häupter über mögliche Konsequenzen und nehmen dabei bewusst die Gefahr eines Weltenbrandes in Kauf. Dieser lässt sich nach einer am 28. Juli 1914 übergebenen Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien kaum noch verhindern und beginnt am 1. August mit einer Kriegserklärung Deutschlands an die zuvor mobilmachende Serben-Schutzmacht Russland. Zwei Tage später steht Deutschland ebenfalls mit Frankreich im Krieg, am 4. August dann aufgrund der verletzten belgischen Neutralität bei der Durchführung des Schlieffen-Planes auch mit Großbritannien.
Ob Johann gleich zu Kriegsbeginn zur kaiserlichen Armee eingezogen wird, liegt 110 Jahre später im Dunkeln. Die Bezeichnung Landsturmmann, unter der er in der 12. Kompanie des Landwehr-Infanterie-Regiments Nr. 73 geführt wird, spricht allerdings eher für eine Einberufung zu einem späteren Zeitpunkt. Mit seiner Einheit nimmt Johann im Oktober 1916 an der Schlacht an der Somme teil, wo er am 21. Oktober unter nicht näher bekannten Umständen zu Tode kommt. Die Besonderheit, dass Johanns Name auf dem Linteler Denkmal zur Erinnerung an die Opfer der Weltkriege fehlt, dafür aber auf dem Altmoorhauser Gedenkstein genannt ist, hat vermutlich mit der erwähnten Randlage des Gorath-Hofes zu tun. Seine Biographie findet sich deshalb nicht nur auf der Linteler Gedächtnis-Seite, sondern parallel dazu auch hier auf der Altmoorhauser Gedächtnis-Seite.