Anna Mathilde Tönjes wird am 5. November 1865 als drittes Kind von Johann Grummer und Catharine Grummer auf dem elterlichen Hof in Altmoorhausen (heute: Henning Struthoff) geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Johann Hermann Grummer und Anna Gesine Grummer und die ältere Schwester von Johann Diedrich Grummer, Helene Pflug, Friedrich Grummer und Hermann Grummer.
Einen Tag nach Anna Mathildes Geburt setzt Konföderierten-Offizier James Waddell den finalen Schlusspunkt im Amerikanischen Bürgerkrieg, indem er das von ihm befehligte Kriegsschiff CSS Shenandoah in Liverpool britischen Behörden übergibt. Zwar hatte Südstaaten-Oberbefehlshaber Robert E. Lee bereits im April 1865 bei Appomattox Court House kapituliert. Vereinzelt kommt es jedoch danach immer noch zu einzelnen bewaffneten Zusammenstößen, auf dem Festland das letzte Mal am 13. Mai in der Nähe der texanischen Ortschaft Brownsville. Einige Generäle wie Edmund Kirby Smith oder Cherokee-Führer Stand Watie bleiben mit ihren Truppen noch bis in den Juni hinein gefechtsbereit.
Die CSS Shenandoah befindet sich im April 1865 auf hoher See – mit dem Auftrag, so viele Nordstaaten-Handelsschiffe wie möglich aufzubringen und den Feind dadurch von Nachschublieferungen abzuschneiden. Obwohl ihr Einsatz auf den Kriegsverlauf letztlich keinerlei Einfluss mehr nimmt, ist die Bilanz beeindruckend: Zwischen Oktober 1864 und Juli 1865 versenkt oder erbeutet Waddells Crew 38 Schiffe und nimmt dabei mehr als 1.000 gegnerische Matrosen gefangen, ohne selbst einen einzigen Mann im Kampf zu verlieren. Die Nachrichten, die in dieser Zeit von der Heimatfront eintrudeln, sind widersprüchlich. So meldet eine bei einem Überfall erbeutete Zeitung die Kapitulation Lees, aber auch einen Aufruf von Südstaaten-Präsident Jefferson Davis, den Kampf fortzuführen.
Erst Anfang August 1865 gelangt Waddell zu der Überzeugung, dass der Krieg verloren ist. In der Furcht, beim Anlaufen eines US-Hafens wegen Piraterie angeklagt zu werden, nimmt er Kurs auf Großbritannien. Von der Westküste Mexikos aus segelt die CSS Shenandoah – verfolgt von US-Kriegsschiffen – über Kap Hoorn nach Liverpool, wo ihre Odyssee am 6. November nach mehr als 9.000 Seemeilen endet. Nach kurzem Arrest kommt die gesamte Mannschaft auf freien Fuß und zerstreut sich in alle Winde. In den USA beginnt derweil die Reconstruction, die Nord und Süd wieder miteinander versöhnen soll.
In den Dörfern des damaligen Großherzogtums Oldenburg dürfte die Übergabe der CSS Shenandoah kaum jemand zur Kenntnis nehmen – wie fast überall im Rest der Welt endet die öffentliche Wahrnehmung des vier Jahre andauernden Bürgerkriegs mit der Kapitulation des Südens und der anschließenden Ermordung des erst im November 1864 im Amt bestätigten rechtmäßigen Präsidenten Abraham Lincoln. Gleichwohl bleiben die USA in vielen Familien ein Thema, nimmt doch die Auswanderung dorthin ab Mitte der 60er Jahre noch einmal deutlich an Fahrt auf. Zu den gebürtigen Altmoorhausern, die zwischen 1865 und 1880 den Sprung über den Atlantik wagen, gehören unter anderem Helene Catharine Gröss, Gerhard Logemann, Maria Christina Petershagen, Johann Heinrich Rodiek, Heinrich Gerhard Schröder und Margarethe Vespermann.
Aus Anna Mathildes familiärem Umfeld ist zunächst niemand dabei. Sie selbst wächst mit den fünf überlebenden Geschwistern – die nächstjüngere Schwester Anna Gesine fällt im September 1872 als Neunjährige einer im Dorf grassierenden Ruhr-Epidemie zum Opfer – auf dem Hof ihrer Eltern am Pohlweg auf. Wahrscheinlich ein halbes Jahr vor Anna Gesines Tod wird sie in die Volksschule Altmoorhausen eingeschult, die sie dieser Rechnung zufolge 1880 zwei Jahre nach Geburt des jüngsten Bruders Hermann abschließt. Im August 1888 stirbt Mutter Catharine im Alter von nur 49 Jahren.
Wann und bei welcher Gelegenheit Anna Mathilde ihren künftigen Ehemann Johann Friedrich Tönjes aus Hurrel kennenlernt, lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren. Beide heiraten am 24. Mai 1892 in Hude. Johann Friedrich bewirtschaftet zusammen mit seiner verwitweten Mutter Anna Catharina Sophia einen Hof am Hesterort, der ihm gemäß Jüngstenrecht bereits 1879 überschrieben wurde (heutiger Eigentümer: Heiko Pflug). Im September 1893 bringt Anna Mathilde dort Sohn Johann Gerhard zur Welt.
Unmittelbar zuvor haben gleich vier Hurreler ihre Heimat Richtung Nordamerika verlassen, von denen zwei zu Anna Mathildes angeheirateter Familie gehören: Johann Friedrichs Bruder Heinrich und seine Kusine Sophie Mathilde Tönjes. Auch zu deren mitausgewanderten Partnern, den Geschwistern Heinrich und Anna Wilkens, bestehen schon bald verwandtschaftliche Beziehungen – über Anna Mathildes älteren Bruder Johann Hermann, der am 21. April 1898 Heinrichs und Annas Schwester Catharine heiratet und mit ihr zunächst weiter in Altmoorhausen lebt. Nur fünf Tage später heiratet Anna Mathildes jüngste Schwester Helene den Hurreler Johann Diedrich Pflug und lässt sich auf dessen Hof an der Bremer Straße nieder (heute: Inge Pflug).
Die beiden letztgenannten Ereignisse erlebt auf dem Tönjes-Hof Anna Mathildes Schwiegermutter nicht mehr mit – sie ist bereits im November 1895 verstorben. Als weiteres Kind ist im Dezember 1896 Hermann Friedrich hinzugekommen, nach der Geburt von Tochter Sophie im Mai 1899 macht dann im Juni 1902 der dritte Sohn Georg die Familie komplett. Vier Jahre später steht dann im Verwandtschaftskreis eine weitere Hochzeit an, die Anna Mathildes Familie noch ein Stück mehr mit Hurrel verbindet: Ihr jüngster Bruder Hermann, Hoferbe in Altmoorhausen, heiratet Sophie Schwarting vom ebenfalls am Hesterort gelegenen Schwarting-Hof (heute: Heiko und Anieka Schwarting).
Wie Anna Mathilde und ihre Familie den im August 1914 ausbrechenden Ersten Weltkrieg erleben, liegt heute weitgehend im Dunkeln. Sehr wahrscheinlich nehmen die beiden älteren Söhne aktiv an den Kämpfen teil, Hermann Friedrich zumindest wird anhand der amtlichen Verlustlisten im Frühsommer 1916 an der Front leicht verwundet. Dementsprechend bescheiden dürften Anna Mathilde und Johann Friedrich im Mai 1917 ihre Silberhochzeit begehen. Nur wenige Wochen später brennt Anna Mathildes Elternhaus in Altmoorhausen durch einen Blitzschlag bis auf die Grundmauern nieder. Da Bruder Hermann ebenfalls Kriegsdienst leistet, zieht ihre Schwägerin Sophie daraufhin mit den beiden Töchtern Alma und Hermine zu ihrem Bruder Diedrich auf den vom Tönjes-Hof nur rund 300 Meter entfernten Schwarting-Hof und kehrt erst einige Monate nach Kriegsende im November 1918 nach Altmoorhausen zurück.
Letztlich überstehen sowohl Anna Mathildes Söhne als auch ihre Brüder den Krieg lebend. Mit Friedrich zieht 1922 oder 1923 einer von ihnen ebenfalls nach Hurrel und lebt fortan mit Ehefrau Gesine und Tochter Alwine rund 800 Meter von Anna Mathilde entfernt auf einer gepachteten Hofstelle am Sandersfelder Weg (heute: Hans Heinemann).
Über Anna Mathildes letzte Lebensjahre ist in Hurrel nicht mehr viel bekannt. Sie stirbt am 2. Januar 1927, knapp zwei Monate nach ihrem 61. Geburtstag. Beerdigt ist Anna Mathilde fünf Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.