Georg Wilhelm Schmerdtmann – Rufname Wilhelm – wird am 17. Februar 1884 als erstes Kind von Johann Hinrich Schmerdtmann und Margarethe Elise Schmerdtmann auf dem elterlichen Hof in Altmoorhausen (heute: Hartmut und Renate Schmerdtmann) geboren. Er ist der ältere Bruder von Adeline Brengelmann, Hinrich Schmerdtmann und Friedrich August Schmerdtmann.
Fünf Tage vor Wilhelms Geburt erhält der New Yorker Versicherungsmakler Lewis Edson Waterman das Patent für einen neuartigen Füllfederhalter zugesprochen. Um bei dem Schreibgerät eine gleichmäßige Tintenzufuhr – das große Problem früherer Modelle – zu garantieren, hat Waterman seinen „Waterman Regular“ getauften Füller im Inneren mit einem dünnen Röhrchen ausgestattet. Darin sind kleine Schlitze angebracht, die einen Kapillareffekt erzeugen. Gleichzeitig sorgt nachströmende Luft für einen Druckausgleich und verhindert so das gefürchtete unkontrollierte Klecksen. Der Überlieferung zufolge war es ein solcher Klecks, der Waterman letztlich zu seiner Erfindung inspirierte: Weil ein Kunde sich über ein durch Tintenflecke unbrauchbar gewordenes Formular geärgert hatte, ließ er angeblich ein unterschriftsreifes Geschäft mit Waterman im letzten Moment platzen.
Trotz der technischen Verbesserung läuft das Geschäft nur schleppend an. Waterman fertigt von Hand rund 200 Exemplare, die er im Hinterzimmer eines New Yorker Zigarrengeschäfts verkauft. Auch intensive Werbung durch Zeitungsinserate belebt zunächst nicht die Nachfrage. Hinzu kommt, dass der Markt für Füllfederhalter in den USA hart umkämpft ist. Zu Watermans schärfsten Konkurrenten gehört etwa George Safford Parker. Der ehemalige Handelsvertreter erhält 1889 für einen ähnlich konstruierten Füller ebenfalls ein Patent und hat damit mehr Erfolg – auch, weil er seine Produkte als auslaufsicher bewirbt. Ein „Parker Jointless“ kommt beispielsweise zum Einsatz, als am 10. Dezember 1898 Delegationen der beiden involvierten Länder in Paris den Spanisch-Amerikanischen Krieg beenden. Erst nach Watermans Tod im Mai 1901 steigt auch die von einem Neffen weitergeführte Waterman Pen Company zu den weltweit führenden Herstellern auf.
In Deutschland spezialisieren sich in den 1880er Jahren vor allem die Firmen Soennecken und Kaweco auf die Produktion von Füllfederhaltern. Als Erfinder der bald darauf auch flächendeckend im Schulunterricht verwendeten Kugelspitzfeder erlangt der Bonner Fabrikant Friedrich Soennecken ähnlich wie Waterman und Parker in Fachkreisen einige Bekanntheit. Die maßgeblichen Schreib-Utensilien in den Lehranstalten des 1871 gegründeten Kaiserreichs bleiben freilich wie schon in den Generationen zuvor Griffel und Schiefertafel. Das ist in Altmoorhausen, wo Wilhelm von 1890 an die örtliche Volksschule besucht, nicht anders als in Aachen, Augsburg oder im Herzogtum Anhalt.
Schon zwei Jahre nach Wilhelms Einschulung kommt es zu einer Zäsur: Weil das 1837 errichtete Gebäude angesichts von mittlerweile fast 80 schulpflichtigen Kindern aus allen Nähten platzt, bewilligen die zuständigen Behörden 1892 einen Neubau an gleicher Stelle. Die dadurch umgesetzten Verbesserungen halten sich jedoch angesichts der zuallererst auf die Kosten bedachten Bauweise in engen Grenzen. Wie schon davor und zur damaligen Zeit in Dorfschulen durchaus üblich werden zudem auch künftig alle acht Jahrgangsstufen in einem Raum unterrichtet.
Abgesehen vom beschriebenen Umzug ins neue Gebäude ist über Wilhelms Schulzeit heute nichts mehr bekannt. Dasselbe gilt für die ersten Jahre nach Schulentlassung und Konfirmation im Jahre 1898. Bemerkenswert ist allerdings, dass seine Eltern ihn offenbar frühzeitig als Grunderben des 1881 von Claus Hinrich Oetken gekauften Schmerdtmann-Hofes bestimmen – gilt doch in Altmoorhausen eigentlich das Jüngstenrecht. Abgesehen von seiner Militärdienst-Zeit lebt und arbeitet Wilhelm deshalb vermutlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts weiter auf dem rund zehn Hektar großen Betrieb.
Wilhelms Mutter Margarethe Elise leidet unter Wassersucht, sie stirbt im April 1915 im Alter von 55 Jahren. Zu diesem Zeitpunkt tobt bereits seit mehr als acht Monaten der Erste Weltkrieg, an dem Wilhelm teilnimmt. Wo und wie er dabei eingesetzt wird, liegt mehr als 100 Jahre später allerdings im Dunkeln. Nach seiner Rückkehr arbeitet er wieder auf dem väterlichen Hof – einerseits sicher froh, mit dem Leben davongekommen zu sein, andererseits aber vermutlich auch zutiefst verunsichert angesichts der politischen und wirtschaftlichen Krisen, in die der verlorene Krieg die Ende 1918 ausgerufene Weimarer Republik stürzt. Wie die meisten Deutschen dürfte er zudem empört sein über die Bedingungen des von den Siegern diktierten Versailler Vertrages, der diverse Gebietsabtretungen und hohe Reparationen vorsieht. Kleines Detail am Rande: Ihre Unterschrift unter das am 28. Juni 1919 in Paris unterzeichnete Dokument setzen die Vertreter der internationalen Staatengemeinschaft mit einem goldenen Füllfederhalter von Waterman.
So fragil die Zukunft Anfang der 1920er Jahre auch erscheinen mag, das Karussell des Lebens dreht sich weiter. An kaum einem anderen Indiz lässt sich das besser ablesen als an der Zahl der Eheschließungen in Deutschland. Im letzten Kriegsjahr 1918 geben sich zwischen Konstanz und Königsberg nur 350.000 Paare das Jawort, 1920 sind es schon wieder 900.000. Im Jahr darauf steht auch Wilhelm vor dem Traualtar: Am 18. Oktober 1921 heiratet er Adeline Heyne, eine Nachbarstochter und Schulkameradin seiner gleichnamigen Schwester. Im Juni 1922 kommt Tochter Erna zur Welt, im April 1924 folgt Sohn Johann. Im Oktober 1926 stirbt Vater Johann Hinrich, woraufhin der Schmerdtmann-Hof offiziell auf Wilhelm übergeht.
Scheint es Ende 1926 fast so, als hätte sich die anfangs in weiten Teilen der Bevölkerung unbeliebte Republik etabliert, so wandelt sich nach dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise im Hebst 1929 die Situation völlig: Die völkisch-radikalen Nationalsozialisten vergrößern ihren Stimmenanteil bei nahezu jeder Wahl. Zwei Wochen vor Wilhelms 49. Geburtstag hat NSDAP-Führer Adolf Hitler schließlich sein Ziel erreicht. Am 30. Januar 1933 ernennt der greise Reichspräsident Paul von Hindenburg ihn zum Reichskanzler und ebnet damit den Weg in die Diktatur des NS-Staats. Nur wenig mehr als sechs Jahre später beginnt mit dem von Hitler befohlenen Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg.
Die vom NS-Regime geschürten Hoffnungen auf einen Blitzsieg erfüllen sich nicht. Mit jedem Tag, den der Krieg andauert, steigt die Gefahr, dass auch Johann Schmerdtmann in seine todbringende Maschinerie hineingezogen wird. Tatsächlich erhält Wilhelms als Hofnachfolger gesetzter Sohn im Sommer 1942 einen Stellungsbefehl zur Wehrmacht, der ihn schon bald an die italienische Front führt. Noch bevor Johann dort kurz vor Kriegsende in amerikanische Gefangenschaft gerät, legen Wilhelm und Ehefrau Adeline den von ihnen geführten Hof weitgehend still. Auf die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht und den Zusammenbruch jeglicher staatlichen Ordnung im Frühjahr 1945 folgt die Aufnahme der aus den ehemaligen Ostgebieten vertriebenen Familie von Horst Dahlmann.
Als Johann nach seiner Rückkehr Ende 1945 damit beginnt, den Hof aus kleinen Anfängen heraus wieder selbst zu bewirtschaften, steht Wilhelm kurz vor seinem 62. Geburtstag. Gleichwohl unterstützt er seinen Sohn fortan nach Kräften, bei der Stall- und Feldarbeit ebenso wie bei der Modernisierung des über viele Jahrzehnte hinweg als Rauchhaus genutzten Hauptgebäudes oder der Vermarktung von Eiern und anderen hofeigenen Produkten. Im September 1953 kommt durch Johanns Heirat mit Erna Reich eine Schwiegertochter ins Haus. Zwei Monate später folgt Enkel Hartmut, im Oktober 1954 der zweite Enkelsohn Heiko und im Mai 1960 Enkeltochter Anke.
Seine Enkelkinder aufwachsen zu sehen, ist Wilhelm nur relativ kurze Zeit vergönnt. Er stirbt infolge Altersschwäche am 21. Februar 1963, vier Tage nach seinem 79. Geburtstag. Beerdigt ist er am 26. Februar 1963 auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.