Heinz Hemme – Biographie

Heinz Hemme wird am 30. Oktober 1925 als zweites Kind von Georg Hemme und Bernhardine Hemme in Farge bei Bremen geboren. Er ist der jüngere Bruder von Käthe Möderler.

In den Wochen um Heinz‘ Geburt bestimmt der in der ersten Oktoberhälfte verhandelte Locarno-Pakt die deutsche Politik. Auf Initiative von Außenminister Gustav Stresemann (DVP) und seines französischen Amtskollegen Aristide Briand hatten in der im Schweizer Kanton Tessin gelegenen Stadt Locarno Vertreter von insgesamt sieben Nationen Richtlinien für eine neue europäische Sicherheitspolitik erarbeitet. Dabei ging es der deutschen Seite in erster Linie darum, die Isolation des Landes nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg zu durchbrechen. Für dieses Ziel waren Stresemann und Reichskanzler Hans Luther auch zu in der Heimat eher unpopulären Kompromissen bereit, etwa dem endgültigen Verzicht auf die seit 1919 zu Frankreich beziehungsweise Belgien gehörenden Gebiete Elsass-Lothringen und Eupen-Malmedy.

Neben Deutschland verzichten im Locarno-Pakt auch Frankreich und Belgien darauf, die im Friedensvertrag von Versailles gezogenen Grenzen zwischen den drei Ländern gewaltsam zu verändern oder – wie im Falle der Ruhrbesetzung im Januar 1923 – auch nur zu überschreiten. Großbritannien und Italien wiederum garantieren, bei einem Zuwiderhandeln zugunsten des angegriffenen Landes einzuschreiten. Diese auch in Frankreich keineswegs unumstrittene Zusicherung beruht auf der von Briand vertretenen Erkenntnis, dass ein dauerhafter Frieden in Europa nur mit einer Integration Deutschlands möglich ist.

Keine endgültigen Regelungen trifft der Locarno-Pakt bezüglich der deutschen Ostgrenzen. Dort behält sich die deutsche Regierung mit Rückendeckung Großbritanniens ausdrücklich eine Revision vor. So strebt Stresemann die Rückgewinnung Danzigs, des Polnischen Korridors und Teile Oberschlesiens an, allerdings auf dem Verhandlungsweg. Mittelfristig steht für den Außenminister auch die von den Alliierten 1919 im Versailler Vertrag noch kategorisch abgelehnte Vereinigung mit Deutsch-Österreich weiter im Raum.

Kaum aus Locarno zurück, sehen sich Stresemann und Luther mit massiver Kritik konfrontiert. Aus Protest gegen die Anerkennung der deutschen Westgrenzen schert am 25. Oktober die nationalkonservative DNVP aus der erst im Januar 1925 gebildeten Koalitionsregierung mit DVP, Zentrum, DDP und BVP aus, die dadurch im Parlament keine Mehrheit mehr hat. Die KPD hingegen wittert ein kapitalistisches Komplott gegen die ihr nahestehende Sowjetunion. Am Ende gelingt die Ratifizierung des Paktes nur, weil am 27. November auch die oppositionelle SPD zustimmt. Er wird am 1. Dezember 1925 in London unterzeichnet und ebnet Deutschland im Jahr darauf den Weg in den Völkerbund. Für ihre Verständigungspolitik erhalten Stresemann und Briand zudem im Dezember 1926 den Friedensnobelpreis.

Letzteres eine Nachricht, die mit Sicherheit auch im sozialdemokratisch regierten Bremen für ein hohes Maß an Aufmerksamkeit sorgt. Heinz‘ Geburtsort Farge gehört damals allerdings anders als heute noch nicht zum Stadtgebiet, sondern zum Kreis Blumenthal und damit zur Provinz Hannover. Vater Georg Hemme, 1897 in Munderloh geboren, arbeitet in Farge als Betriebsschlosser im Kraftwerk Unterweser. Mutter Bernhardine stammt aus dem Nachbarort Rekum und verfügt dort über eine recht große Verwandtschaft mit sechs noch lebenden Geschwistern.

Unter welchen konkreten Umständen Heinz mit seinen Eltern und der nur ein Jahr älteren Schwester Käthe in Farge die ersten Lebensjahre verbringt, liegt heute weitgehend im Dunkeln. Immerhin, Deutschland fasst Mitte der 1920er Jahre nicht nur politisch Tritt, sondern auch wirtschaftlich: Seit Einführung der Rentenmark im November 1923 gehören die chaotischen Zeiten der Hyperinflation der Vergangenheit an. Investitionen aus dem Ausland – insbesondere aus den USA – fließen wieder und der Dawes-Plan lenkt die von Deutschland noch zu leistenden Reparationszahlungen in halbwegs erträgliche Bahnen. Wer wie Georg Hemme einen sicheren Arbeitsplatz hat, kann zum ersten Mal seit mehr als einem Jahrzehnt wieder mit Zuversicht in die Zukunft sehen. Womit die Grundstimmung in Heinz‘ Familie vermutlich einigermaßen korrekt beschrieben sein dürfte.

Dabei bleibt es leider nicht. Zwar stehen die Signale in der Außenpolitik auch nach dem plötzlichen Tod Gustav Stresemanns am 3. Oktober 1929 weiter auf Entspannung. Nur wenige Wochen später sendet jedoch der Schwarze Donnerstag an der New Yorker Wall Street Schockwellen um den Globus. Dem Börsen-Beben folgt mit der Weltwirtschaftskrise ein in diesem Ausmaß nie zuvor gesehener Abschwung, der spätestens mit der Pleite des Delmenhorster Nordwolle-Konzerns im Juli 1931 voll auf Deutschland durchschlägt.

Zu diesem Zeitpunkt hat Familie Hemme Farge bereits verlassen. Vater Georg wechselt mutmaßlich schon vor Ausbruch der Weltwirtschaftskrise den Job und arbeitet inzwischen in vergleichbarer Funktion im Klinkerwerk seines Heimatdorfes Munderloh. Neues Domizil wird kurz vor Heinz‘ Einschulung im Frühjahr 1932 ein 1925 von Hinrich Lüers erbautes Siedlungshaus in Altmoorhausen (heute: Raphael Muller).

Zu Heinz‘ in etwa gleichaltrigen Mitschülern in der der von seinem Elternhaus nur knapp 300 Meter entfernten Volksschule Altmoorhausen gehören unter anderem Heinz Barkemeyer, Heinz Punke, Erwin Quitsch, Johann Schmerdtmann und Harro Hartmann, der jüngste Sohn des Schulleiters Friedrich Hartmann. Am viel zu frühen, durch einen tragischen Schieß-Unfall verursachten Tod des letztgenannten Mitschülers im Januar 1937 lässt sich ablesen, wie nach der Anfang 1933 erfolgten Regierungsübernahme der Nationalsozialisten Schritt für Schritt gänzlich andere Werte den Lebens- und Schulalltag in Deutschland bestimmen: Revanchismus statt Versöhnung lautet fortan eine der Devisen im mit militärischen Übungen und strengen ideologischen Vorgaben belasteten Unterricht. In der Lesart der neuen Machthaber etwa gilt Gustav Stresemann als Erfüllungs-Politiker alter Ordnung, den – wäre er noch am Leben – so mancher NSDAP-Funktionär vermutlich gern in einem der überall im Land aus dem Boden gestampften Konzentrationslager gesehen hätte.

Noch bevor Heinz die Schule abschließt, beginnt im September 1939 mit dem deutschen Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg. Sein Ziel, Lehrer zu werden, kann er nicht mehr verwirklichen: Nach der militärischen Grundausbildung in Berlin findet er sich im Sommer 1944 an der Westfront wieder, wo die Alliierten nach ihrer erfolgreichen Landung in der Normandie rasche Geländegewinne erzielen. Bei den erbitterten, für beide Seiten verlustreichen Kämpfen der folgenden Monate verliert Heinz am 9. August 1944 sein Leben. Seine nach Kriegsende geborgenen Überreste ruhen heute auf der deutschen Kriegsgräberstätte in Champigny-la-Futelaye (Block 7, Reihe 6, Grab 597).