Erich Kramp – Biographie

Erich Edi Kramp wird am 14. Dezember 1914 als einziges Kind von Eduard Kramp und Eleonore Kramp in Insterburg geboren. Mit Helmut Kramp und Rudi Kramp hat er noch zwei jüngere Halbbrüder aus der zweiten Ehe seines Vaters mit Lina Berger.

Am Tag von Erichs Geburt bestimmen wie schon in den Wochen und Monaten zuvor Meldungen von den Fronten des Ersten Weltkriegs die Schlagzeilen der deutschen Presse. „Fortgang der Kämpfe in Nordpolen“ titelt beispielsweise die „Vossische Zeitung“ in Berlin, „Siegreich in West und Ost“ heißt es beim „Kölner Local-Anzeiger“. Die „Dresdner Nachrichten“ stellen „Neue deutsche und österreichisch-ungarische Erfolge“ heraus, was der „Duisburger General-Anzeiger“ mit „Wieder 11.000 Russen gefangen“ zu präzisieren versucht. Die „Dortmunder Zeitung“ hingegen arbeitet sich in ihrer Top-Meldung („Russisch-Französische Lügenmeldungen“) an allzu dick aufgetragener Propaganda der deutschen Kriegsgegner ab.

Für die Wahrheit ist jedoch in den genannten Artikeln ebenso wenig Platz wie in den geschönten und somit zu Recht kritisierten Lage-Berichten aus Paris und St. Petersburg. Lautet sie doch schlicht: Die Kriegsbegeisterung, die Anfang August 1914 zumindest Teile der deutschen Bevölkerung erfasst hatte, ist vier Monate später nahezu vollständig verflogen. An der Westfront herrscht seit Oktober Stillstand – Briten, Franzosen und Deutsche liefern sich einen Grabenkrieg, der auch ohne größere Verschiebungen täglich Tausende von Opfern fordert. Ähnliches droht im Osten: Zwar endet die in der ersten Dezember-Hälfte geführte, von der deutschen Presse überwiegend euphorisch kommentierte Schlacht bei Limanowa–Lapanow tatsächlich mit einem klaren Sieg der Mittelmächte. Vom Kurischen Haff im Norden bis zur rumänischen Grenze bei Czernowitz im Süden bildet sich gleichwohl eine mehr oder weniger starre Stellungsfront heraus, die angesichts des hereinbrechenden Winters nur wenig Spielraum für neue Offensiven lässt.

Davon abgesehen droht Erichs Heimat Ostpreußen – im Spätsommer 1914 durch die siegreichen Schlachten bei Tannenberg und an den Masurischen Seen zunächst gerettet – auch in den kommenden Monaten weiter Gefahr. Der russische General Nikolai Russki plant einen neuen Vorstoß Richtung Königsberg, wird aber in der fast den gesamten Februar 1915 andauernden Winterschlacht in Masuren abermals gestoppt. Erst danach sind die letzten russischen Truppen von deutschem Gebiet vertrieben. Eine Vorentscheidung im Krieg ist damit jedoch keineswegs gefallen. Die deutschen Armeen kämpfen weiter an zwei Fronten und nach dem italienischen Kriegseintritt auf Seiten der Alliierten zunehmend auch im Süden.

Wie Erichs Familie jene unheilvollen Jahre bis zum im November 1918 geschlossenen Waffenstillstand von Compiègne erlebt, liegt heute im Dunkeln. Das gilt auch für die Frage, ob Vater Eduard, im zivilen Leben Angestellter der Preußischen Staatseisenbahn, als Soldat im Felde steht. Sollte er einberufen worden sein oder sich sogar freiwillig gemeldet haben, so nimmt er jedoch nach dem verlorenen Krieg seine Tätigkeit als Schaffner bei der neugeschaffenen Reichsbahn wieder auf. Einem Insterburger Adressbuch von 1926 zufolge wohnt er damals mit seiner Familie in der Jordanstraße Nummer 10.

Ein stark prägendes Ereignis während Erichs Schulzeit dürfte der dem besiegten Deutschland aufgezwungene Versailler Vertrag sein – trennt er doch Ostpreußen durch den Polnischen Korridor vom restlichen Reichsgebiet ab. Die Auswirkungen der sich bis Ende 1923 zur Hyperinflation steigernden Geldentwertung sind allerdings in Königsberg und Umgebung genauso zu spüren wie in Kassel, Karlsruhe oder Konstanz.

Zwar scheint die im November 1918 ausgerufene Weimarer Republik bei Erichs Entlassung aus der örtlichen Volksschule politisch wie wirtschaftlich das Gröbste überstanden zu haben. Die Betonung liegt jedoch auf dem eher unscheinbaren Wörtchen „scheint“: Spätestens 1931 nämlich schwappt die 1929 in den USA ausgebrochene Weltwirtschaftskrise nach Deutschland über und sorgt hierzulande neben einem Millionen-Heer an Arbeitslosen für eine zunehmende politische Radikalisierung. Die auch vor Ostpreußen nicht Halt macht: Kommt dort die von Adolf Hitler geführte NSDAP bei den Reichstagswahlen von 1928 gerade einmal auf einen Stimmenanteil von 0,8 Prozent, so sind es zwei Jahre später bereits 22,5 Prozent und im Juli 1932 sogar 47,1 Prozent. Anfang 1933 ist die Republik am Ende, es folgen Hitlers Machtergreifung und die Diktatur des NS-Staats. Im Februar 1935 stirbt Mutter Eleonore im Alter von nur 46 Jahren.

Erich, der zunächst Uhrmacher werden wollte, hat in der Zwischenzeit den Beruf des Friseurs ergriffen. Den übt er nach der Gesellenprüfung einige Jahre lang aus und bereitet sich gerade auf seine Meisterprüfung vor, als Anfang September 1939 der deutsche Überfall auf Polen und der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs sämtliche weiteren Pläne über den Haufen werfen. Wann genau Erich zur Wehrmacht einberufen wird, ist nicht überliefert. Wohl aber, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits die Wege seiner künftigen Ehefrau Lieselotte Klokow, einer Friseurin aus Stargard, gekreuzt hat. Das Paar lernt sich bei einem überregionalen Schaufrisieren kennen.

Erich und Lieselotte heiraten am 25. November 1942. Danach verlieren sich die Ehepartner in den Wirren des im Mai 1945 mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht endenden Weltkriegs vorübergehend aus den Augen. Zwischenzeitlich in britische Gefangenschaft geraten, erfährt Erich über den Suchdienst des Roten Kreuzes, dass es Lieselotte und ihre Mutter Martha Klokow nach Oldenburg verschlagen hat. Dort kommt es nach Erichs Entlassung irgendwann im Dezember 1945 zur Wiedervereinigung der Familie.

Oldenburg ist eine der wenigen deutschen Städte, die im Zweiten Weltkrieg von großflächigen Zerstörungen verschont geblieben sind – und erhält dadurch überproportional viele Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten zugewiesen. Die Zahl der Einwohner steigt so im Laufe des Jahres 1946 auf über 100.000. Unterschlupf finden Erich und Lieselotte in dieser von Chaos und Mangel geprägten Zeit in einer Wohnung in der Winkelmannstraße. Im November 1946 bekommen sie Nachwuchs: Sohn Wolfgang wird geboren.

Arbeit als Friseur findet Erich relativ rasch, im Salon Freese in der Achternstraße. Wie es der Zufall will, gehört dort einige Jahre später der Hemmelsberger Viehhändler Heino Sander zu seinen Kunden. Der erzählt 1950 eher beiläufig, dass ganz in seiner Nähe, in Altmoorhausen, ein Frisiersalon frei wird. Wobei „Salon“ vielleicht etwas übertrieben ist – handelt es sich dabei doch lediglich um ein einzelnes Zimmer in den Räumen der Gastwirtschaft von Anton Budde (heute: Crown Event Location). Erichs Interesse ist trotzdem geweckt, und erste Vorgespräche verlaufen positiv. Größtes Problem auf dem Weg in die geplante Selbstständigkeit ist zunächst der fehlende Meisterbrief. Doch dafür gibt es eine Lösung: Lieselotte besucht in Oldenburg die Meisterschule und bekommt schon bald nach dem von Georg Budde durchgeführten Umzug nach Altmoorhausen das begehrte Zertifikat ausgehändigt. Erstes Domizil am neuen Wohnort werden zwei Zimmer im Obergeschoss des Wohnhauses von Georg und Bernhardine Hemme (heute: Raphael Muller), das sich Erich, Lieselotte, Wolfgang und Schwiegermutter Martha mit der Familie von Christoph Tittnags teilen.

Mag das Haaresschneiden Anfang der 1950er Jahre auch zu jenen Dingen gehören, die über wenig finanzielle Reserven verfügende Familien in Altmoorhausen und Umgebung bevorzugt im Do-it-yourself-Verfahren in den eigenen vier Wänden erledigen, so verfügen Erich und Lieselotte doch schon bald über eine beachtliche Zahl an Stammkunden. Das angemietete Salon-Zimmer bei Anton Budde stößt dadurch an Kapazitäts-Grenzen – Erich und Lieselotte müssen sich nach einer Alternative umsehen. Da trifft es sich gut, dass Vermieter Georg Hemme Bereitschaft zeigt, einen Teil seines Grundstücks zu verkaufen. Das auf diesem Areal von Albrecht Köhler aus Kirchkimmen erbaute Wohn- und Geschäftshaus (heutige Eigentümer: Wolfgang und Ursula Kramp) ist 1958 bezugsfertig und bietet die Möglichkeit, Damen und Herren in separaten Räumen zu frisieren.

Das in den Wirtschaftswunder-Jahren etablierte Gewerbe wirft auch in den 1960er Jahren einiges an Ertrag ab. Obwohl 1946 bei ihrer Ankunft in Oldenburg quasi mittelos, bringen es Erich und Lieselotte deshalb in diesem Jahrzehnt zu (wenn auch nach wie vor vergleichsweise bescheidenem) Wohlstand. Abzulesen beispielsweise am automobilen Aufstieg, der von einem Goggomobil über einen Ford 12M zu einem 17M führt und Erich die Möglichkeit gibt, einem neuentdeckten Hobby zu frönen: dem Camping im eigenen Wohnwagen. Bevorzugter Standort wird ein Zeltplatz an der Thülsfelder Talsperre. Hier verbringt Natur- und Hunde-Liebhaber Erich fortan mit Lieselotte einen Großteil seiner Wochenenden und geht dabei auch einem weiteren liebgewonnenen Hobby nach, dem Angeln. Größere Reisen hingegen unternehmen Erich und Lieselotte, von gelegentlichen Verwandtschaftsbesuchen in Hamburg und Freiburg einmal abgesehen, nur selten.

Früh zeichnet sich ab, dass Sohn Wolfgang – inzwischen ebenfalls zum Friseur ausgebildet – den Familienbetrieb eines Tages übernehmen wird. Das ermöglicht Erich und Lieselotte in späteren Jahren gern in Anspruch genommene Auszeiten, so dass sie auch unter der Woche schon mal den einen oder anderen Tag in Thülsfelde genießen können. Mit Ursula Moormann aus Harkebrügge kommt im Oktober 1973 eine Schwiegertochter ins Haus. Zwei Monate später stirbt Lieselottes Mutter Martha im Alter von 86 Jahren.

Kurz nach seinem 65. Geburtstag im Dezember 1979 übergibt Erich den Salon an Wolfgang und verbringt danach noch mehr Zeit in Thülsfelde. Der 1967 in nur kleinem Kreis bei seinem Halbbruder Rudi in Hamburg begangenen Silberhochzeit mit Lieselotte folgt 1992 zur Goldenen Hochzeit in Altmoorhausen eine etwas größere Feier in der mittlerweile von Dieter und Karin Wicht betriebenen Dorf-Gaststätte. Kurz zuvor hat Erich den Fall des Eisernen Vorhangs und die sich daran anschließende deutsche Wiedervereinigung genutzt, um erstmals weitere Verwandte in Mecklenburg-Vorpommern zu besuchen. Seine alte Heimat Ostpreußen bekommt er jedoch zeitlebens nicht wieder zu Gesicht.

Kann Erich im Dezember 1994 seinen 80. Geburtstag noch in recht guter Verfassung feiern, so häufen sich danach die gesundheitlichen Probleme. Er stirbt am 29. April 1996 und wird vier Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude beerdigt.