Adeline Schmerdtmann – Biographie

Adeline Gesine Helene Schmerdtmann wird am 3. August 1891 als viertes Kind von Johann Conrad Heyne und Karoline Hermine Johanne Heyne auf dem elterlichen Hof in Altmoorhausen (heute: Hartwig Heyne) geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Johann Hermann Adolf Heyne, Anna Gesine Johanne Heyne und Gesine Grummer und die ältere Schwester von Adele Schütte, Friedrich Heyne und Hinrich Heyne.

Zwei Wochen nach Adelines Geburt markiert das Gefecht bei Rugaro eine der verlustreichsten Niederlagen der Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika. Dabei geraten drei von Emil von Zelewski angeführte, überwiegend aus Askari und Trägern bestehende Kompanien in einen Hinterhalt des Hehe-Stammes. Dessen Häuptling Chief Mkwawa lehnt sich gegen den Machtanspruch der deutschen Kolonialherren auf, die nach Abschluss des Helgoland-Sansibar-Vertrags mit Großbritannien und der Niederschlagung des Aufstands der ostafrikanischen Küstenbevölkerung in der Region die Kontrolle zu übernehmen versuchen.

Die in dicht bewachsenem Gelände nahe der befestigten Ortschaft Iringa angreifenden Hehe-Krieger verfügen kaum über Feuerwaffen, sind dem Feind zahlenmäßig aber um das Fünffache überlegen. Zudem haben sie das Überraschungsmoment auf ihrer Seite. Von den rund 530 Mitgliedern der Schutztruppe überlebt nur jeder Vierte. Neben neun weiteren Deutschen gehört auch Zelewski zu den Opfern des Überfalls. Zwar müssen die Hehe rein zahlenmäßig noch größere Verluste beklagen. Sie erbeuten aber in dem nur zehn Minuten dauernden Kampf neben rund 300 Gewehren mehrere Geschütze und Maschinengewehre und bleiben so für die Kolonialverwaltung ein gefährlicher Gegner.

Die Reaktion beim Oberkommando in Berlin lässt fast drei Jahre auf sich warten. Erst 1894 führt der preußische Generalleutnant Friedrich von Schele den Feldzug gegen die Hehe mit einer Politik der verbrannten Erde fort. Zwar gelingt es Schele, den zur Festung ausgebauten Rückzugsort Mkwawas einzunehmen, doch der Häuptling und ein großer Teil seiner Kämpfer können entkommen. Nach und nach erlischt aber der Widerstand, und mit Mkwanas Tod im Juli 1898 bricht er vollends zusammen. Befriedet sind die von 1884 an in mehreren Schritten errichteten deutschen Kolonien damit aber noch lange nicht. So kommt es etwa in Deutsch-Südwestafrika an der Schwelle des 20. Jahrhunderts immer wieder zu Unruhen, ebenso in Kamerun und Togo. In China bedroht der 1899 ausbrechende Boxer-Aufstand auch das deutsche Pachtgebiet Kiautschou. Um die Revolte im Verbund mit sieben weiteren Nationen niederzuschlagen, entsendet Kaiser Wilhelm II. im Juli 1900 ein 900 Mann starkes Expeditionskorps.

Als Wilhelm bei der Truppenverabschiedung in Bremerhaven seine berüchtigte Hunnenrede hält, leben in Altmoorhausen Adelines beiden ältesten Geschwister bereits nicht mehr. Sie selbst besucht seit zwei Jahren die vom Heyne-Hof nur rund 400 Meter entfernt liegende Volksschule Altmoorhausen, wo neben der 1889 geborenen Schwester Gesine unter anderem Adeline Schmerdtmann und Anna Schweers zu den in etwa gleichaltrigen Mitschülerinnen gehören. Ein Jahr später, im August 1901, kommt der jüngste Bruder Hinrich zur Welt.

Der 1741 von Johann Harm Spinning aus Hurrel begründete Heyne-Hof befindet sich seit 1858 im Besitz von Adelines Familie. Großvater Hermann Heinrich Heyne – im Nebenberuf Schuhmacher – hat ihn damals aus der Erbmasse von Heinrich Schmerdtmann gekauft und das ursprünglich rund 300 Meter weiter südwestlich errichtete Haupthaus auf dem bis heute genutzten, etwas höhergelegenen Standort neu aufgebaut und modernisiert. Kurz nach Adelines Schulentlassung und Konfirmation im Frühjahr 1906 schaffen ihre Eltern dann durch einen Anbau zusätzlichen Wohnraum.

Ob Adeline zu diesem Zeitpunkt noch zu Hause wohnt oder schon andernorts in Stellung gegangen ist, liegt heute im Dunkeln. Auch für die schwierigen Jahre des Ersten Weltkriegs, an dem Bruder Friedrich als Soldat teilnimmt, ist aus ihrem Leben nichts weiter bekannt. Im November 1920 – zwei Jahre nach dem Waffenstillstand von Compiègne, der die Niederlage Deutschlands und den Zusammenbruch der Monarchie besiegelt – erliegt Mutter Karoline Hermine Johanne einem Schlaganfall.

Ihren künftigen Ehemann Wilhelm Schmerdtmann lernt Adeline bereits als Kind kennen: Er ist der acht Jahre ältere Bruder ihrer Schulfreundin Adeline Schmerdtmann. Wilhelm und seine Schwester sind Enkelkinder von Tönjes Hinrich Schmerdtmann, einem Bruder von Heinrich Schmerdtmann und von 1856 bis zu seinem Tod 1870 Eigentümer des heutigen Hofes von Hermann und Klaus Paradies. Ihr Vater Johann Hinrich Schmerdtmann wiederum hat 1881 in direkter Nachbarschaft einen Hof (heute: Hartmut und Renate Schmerdtmann) gekauft, der nach der am 18. Oktober 1921 mit Wilhelm gefeierten Hochzeit Adelines neues Zuhause wird. Wilhelms Schwester Adeline heiratet sieben Monate später August Johann Hinrich Brengelmann aus Osternburg und legt damit den zu Verwechslungen einladenden Familiennamen Schmerdtmann ab.

Am 24. Juni 1922 – jenem Tag, an dem Mitglieder der Terror-Organisation Consul Reichsaußenminister Walther Rathenau ermorden – bringt Adeline Tochter Erna zur Welt. Politisch (mit dem gescheiterten Hitler-Ludendorff-Putsch knapp anderthalb Jahre später) und wirtschaftlich (mit der sich zur Hyperinflation steigernden Geldentwertung) geht es in der auf den Trümmern des Kaiserreichs entstandenen Weimarer Republik noch eine ganze Weile lang äußerst turbulent zu. Zeiten, die Adelines Schwiegervater Johann Hinrich (Schwiegermutter Margarethe Elise ist bereits 1915 verstorben) noch miterlebt, ebenso wie die Geburt von Adelines und Wilhelms zweitem Kind Johann im April 1924. Er stirbt zweieinhalb Jahre später im Alter von 81 Jahren.

Der 1680 erstmals erwähnte Schmerdtmann-Hof umfasst eine Fläche von rund zehn Hektar, die Adeline und Wilhelm künftig allein bewirtschaften. Da keine weiteren Kinder mehr hinzukommen, ist Johann vermutlich noch vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 als Nachfolger gesetzt. Eine Regelung, die freilich der sechs Jahre später mit dem deutschen Überfall auf Polen beginnende Zweite Weltkrieg quasi von Tag zu Tag neu in Frage stellt. Zumindest von Juli 1942 an, denn in diesem Monat erhält Johann einen Stellungsbefehl zur Wehrmacht. Der Mithilfe ihres Sohnes im Betrieb beraubt, verpachten Adeline und Wilhelm vorübergehend einen Teil der Ländereien, und wie Millionen andere Mütter verbringt Adeline fortan so manch schlaflose Nacht – bis feststeht, dass Johann in Italien kurz vor Kriegsende in amerikanische Gefangenschaft geraten und wohlauf ist. Ende 1945 kehrt er nach Altmoorhausen zurück und erweckt den elterlichen Hof zu neuem Leben.

Im September 1953 (die Wirtschaftswunder-Jahre haben inzwischen die Not der ersten Nachkriegszeit abgelöst) heiratet Johann Erna Reich aus Bessarabien. Adelines Schwiegertochter hat es während des Krieges mit ihren Eltern und Schwester Hertha in den Reichsgau Danzig-Westpreußen und von dort aus nach Kirchhatten verschlagen. Anders als eine Generation zuvor löst sich die erneute Namensgleichheit auf dem Schmerdtmann-Hof dieses Mal nicht auf, da Johanns Schwester Erna unverheiratet bleibt. Für sie bürgert sich in der Familie der bald auch von Adeline verwendete Rufname „Erni“ ein.

Nur zwei Monate nach Johanns Hochzeit wird Adeline mit der Geburt von Enkel Hartmut zum ersten Mal Großmutter. Mit Heiko (Oktober 1954) und Anke (Mai 1960) folgen noch zwei weitere Enkelkinder, die Adeline auf dem Hof aufwachsen sieht. Abschied nehmen muss sie dagegen von Ehemann Wilhelm: Er stirbt im Februar 1963 mit 79 Jahren.

Wie Wilhelm ist es auch Adeline nicht vergönnt, das 80. Lebensjahr zu vollenden. Am Morgen des 17. November 1968 erleidet sie einen Herzschlag, der ihr Leben im Alter von 77 Jahren beendet. Beerdigt ist Adeline vier Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.