Bertha Mathilde Osterloh – Biographie

Bertha Mathilde Osterloh wird am 18. Mai 1882 als fünftes Kind von Hinrich Gode und Beta Gesine Gode in Hurrel geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Karl Johann Gode, Johann Diedrich Gode, Hinrich Elimar Gode und Meta Gesine Gode und die ältere Schwester von Anna Gesina Gode, Nicolaus Friedrich Peter Gode, Bernhard Johann Gode, Frieda Johanne Henrike Gode, Bertha Dora Marie Lünemann, Martha Louise Hermine Drieling und Alma Elise Gode. Ein weiterer, im September 1893 geborener Bruder lebt nur kurze Zeit und bleibt deshalb namenlos.

Drei Tage vor Bertha Mathildes Geburt erlässt Zar Alexander III. die gegen jüdische Einwohner des Russischen Reiches gerichteten Maigesetze. Sie verbieten es den Betroffenen unter anderem, sich außerhalb von Städten und Kleinstädten niederzulassen, auf den Dörfern Land zu kaufen oder zu pachten und an Sonn- und Feiertagen Handel zu treiben. Offiziell dienen die Restriktionen dem Schutz der rund fünf Millionen Juden im Land, die nach der Ermordung von Zar Alexander II. im März 1881 wiederholt Opfer von Pogromen mit Dutzenden von Todesopfern geworden sind. Nach dem von Mitgliedern des russischen Geheimbundes Narodnaja Wolja verübten Bombenanschlag auf den Regenten hält sich insbesondere in der Landbevölkerung hartnäckig das Gerücht, das Attentat sei Teil einer jüdischen Weltverschwörung.

Der sich in den Pogromen Bahn brechende Antisemitismus hat in Russland eine lange Tradition – Juden gelten dort seit jeher als Sinnbild für als schädlich empfundene und somit unerwünschte Einflüsse aus dem Ausland. Zu Zeiten des Großfürstentums Moskau (1340 bis 1547) etwa ist Juden eine Ansiedelung generell verboten, später sind sie an bestimmte Gebiete im Westen des Zarenreichs gebunden. Dabei handelt es sich zu einem großen Teil um jene Landstriche, die zwischen 1772 und 1795 durch die Polnischen Teilungen neu zum Herrschaftsbereich hinzugekommen sind. Erst unter Alexander II. werden die seit dem Spätmittelalter bestehenden Diskriminierungen teilweise abgebaut. Dabei unterscheidet Alexander allerdings wie schon Vorgänger Nikolaus I. zwischen „nützlichen“ und „unnützen“ Juden. Ersteren, etwa wohlhabenden Kaufleuten oder Universitäts-Absolventen, gesteht der zwischen 1855 und 1881 regierende Zar weitreichende Freiheiten zu, die er ärmeren Juden weiter verwehrt. Letztlich sind es jedoch die privilegierten und deshalb häufig mit Neid und Missgunst betrachteten Juden, die das Bild der Religionsgruppe in der russischen Öffentlichkeit prägen.

Angesichts der von Alexander III. eingeleiteten Rückschritte und der weiter anhaltenden Pogrom-Stimmung kehren zwischen 1882 und 1900 Jahr für Jahr zehntausende jüdische Familien Russland den Rücken. Aufnahme finden sie zum Teil in Deutschland und Österreich-Ungarn. Beide Nachbarländer sind aber häufig nur Durchgangsstation für eine Auswanderung in die USA, die dadurch schon vor der Jahrhundertwende zum größten jüdischen Zentrum außerhalb Osteuropas aufsteigen.

Auch auf Menschen aus Bertha Mathildes Heimat, dem Großherzogtum Oldenburg, üben die USA in jenen Jahrzehnten eine große Anziehungskraft aus. Vorwiegend aus wirtschaftlichen Gründen – ist doch für Besitzlose oder nicht erbberechtigte Bauernsöhne die Auswanderung oft die einzige Möglichkeit, der vorherrschenden Armut zu entfliehen. Aus Hurrel wagen zwischen 1880 und 1900 unter anderem Gesine Brockshus, Hermann Brockshus, Sophie Tönjes, Anna Wilkens und Heinrich Wilkens den Sprung über den Atlantik. Obwohl Bertha Mathildes Eltern in Hurrel über keinen eigenen Grundbesitz verfügen und als Heuerlinge ihr Dasein fristen, kommt für sie ein solcher Schritt aber offenbar nicht in Frage. Vermutlich schon aus dem ganz profanen Grund heraus, dass eine Atlantik-Überquerung mit jedem neu hinzukommenden Kind ein Stück weit unbezahlbarer wird.

Sowohl Hinrich als auch Beta Gesine Gode sind bereits in Hurrel geboren. Wo im Dorf beide bis zu ihrer Hochzeit im November 1873 leben, liegt heute allerdings im Dunkeln. Danach beziehen sie ein zum Hof von Johann Schwarting (heute: Gerd und Ute Schwarting) gehörendes, heute nicht mehr existierendes Heuerhaus im Hurreler Sand, wo Bertha Mathilde mit den Eltern und Geschwistern aufwächst. Von dort aus führt sie ihr rund zwei Kilometer langer Schulweg zur gemeinsam mit dem Nachbardorf betriebenen Volksschule in Lintel. Zu ihren in etwa gleichaltrigen Mitschülerinnen gehören unter anderem Annchen Hoffrogge, Mathilde Lüning, Frieda Rüdebusch, Meta Rüscher und Sophie Schwarting.

Im Februar 1895 stirbt Bertha Mathildes drei Jahre jüngerer Bruder Nicolaus Friedrich Peter, im Juni 1897 dann die 1884 geborene Schwester Anna Gesina. Ob Bertha Mathilde den zweiten Todesfall noch in ihrem Elternhaus erlebt oder ob sie bereits irgendwo auf einem Hof oder in einem Haushalt in der näheren Umgebung eine Stellung angenommen hat, lässt sich nur vermuten. Dasselbe gilt für die genauen Umstände, unter denen sie ihren späteren Ehemann Johann Hinrich Osterloh aus Munderloh kennenlernt.

Bertha Mathilde und Johann Hinrich heiraten am 14. November 1905 in Hude. Vermutlich wohnt das junge Paar danach zunächst in Altmoorhausen, denn dort kommt im April 1908 Tochter Berta zur Welt. Ihr folgt im März 1910 Sohn Heinrich. Über den exakten Geburtsort beider Kinder und den Arbeitsplatz der Eltern ist im Dorf allerdings nichts mehr bekannt. Nachdem in Altmoorhausen im Februar 1907 Bertha Mathildes sieben Jahre älterer Bruder Johann Diedrich verstorben ist, geht im Oktober 1910 in Hurrel auch das Leben von Vater Hinrich zu Ende. Er wird immerhin 61 Jahre alt. Mutter Beta Gesine wohnt danach mit dem ältesten Sohn Karl Johann weiter auf einem in den 1950er Jahren abgebrochenen Hof an der Hurreler Straße, den Hinrich Gode 1907 gekauft hat.

Bertha Mathildes Ehemann ist Grunderbe des heutigen Hofes von Nicole Biebert in Munderloh, der aber in den ersten Jahren nach der Hochzeit noch verpachtet ist. Irgendwann in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg läuft dann die Pacht aus – ihren zweiten Sohn Hermann Heinrich bringt Bertha Mathilde im Dezember 1914 auf dem mittlerweile in Besitz genommenen Hof in Munderloh zur Welt. Vermutlich ist Johann Hinrich Osterloh zu diesem Zeitpunkt bereits wie Millionen andere Männer zum Kriegsdienst in der kaiserlichen Armee einberufen worden, so dass Bertha Mathilde nicht nur die Verantwortung für nunmehr drei Kinder trägt, sondern mutmaßlich auch die Landwirtschaft am Laufen halten muss.

Im Spätsommer 1917 – militärisch spitzt sich die Lage für das Deutsche Reich nach dem Kriegseintritt der USA auf Seiten Großbritanniens, Frankreichs und Russlands immer weiter zu – wird Bertha Mathilde noch ein viertes Mal schwanger. Bei der Geburt der zweiten Tochter Minna Johanne Helene Mitte Mai 1918 ist sie angesichts der Anstrengungen und Entbehrungen der vorangegangenen Jahre möglicherweise schon stark geschwächt. Sie erlebt zwar noch deren Taufe zwei Wochen später, stirbt aber am 28. Juni 1918 im Alter von nur 36 Jahren. Beerdigt ist Bertha Mathilde wenige Tage nach ihrem Tod auf dem Friedhof der St.-Ansgari-Kirche in Kirchhatten.