Gustav Drieling – Biographie

Gustav Drieling wird am 15. Dezember 1921 als erstes Kind von Johann Drieling und Martha Drieling auf dem elterlichen Hof in Altmoorhausen (heute: Jana Schmale) geboren. Er ist der ältere Bruder von Erna Peters und Anni Jugelt. Mit Alma Mathilde Spinning und Klara Dannemann hat er noch zwei ältere Halbschwestern aus der ersten Ehe seiner Mutter mit Johann Hinrich Spinning.

Zwei Tage nach Gustavs Geburt endet in Paris der erste Internationale Demokratische Friedenskongress. Unter der Leitung des französischen Juristen und Politikers Marc Sangnier haben Delegierte aus 25 Ländern zehn Tage lang nach Wegen gesucht, den Krieg als Mittel der politischen Auseinandersetzung ein für allemal abzuschaffen. In ihrer Abschlusserklärung fordern sie die Regierungen der Großmächte auf, den Pazifismus zu fördern und den im Januar 1920 gegründeten Völkerbund zu einer „wirklichen Gemeinschaft aller Völker“ auszubauen. Von deutscher Seite beteiligt sind Vertreter der Deutschen Friedensgesellschaft, der Weltjugendliga sowie des Friedensbunds Deutscher Katholiken.

Sangnier, Gründer mehrerer Tageszeitungen und in späteren Jahren einer der Pioniere der französischen Jugendherbergsbewegung, ist eine schillernde Persönlichkeit. Mit seiner 1898 gegründeten Bewegung Le Sillon versucht er lange Zeit, französischen Arbeitern eine christliche Alternative zum Marxismus zu bieten – und scheitert unter anderem an der fehlenden Rückendeckung durch die Vatikan-Führung, die um ihre Autorität fürchtet. Als Offizier im Ersten Weltkrieg mit dem Croix de guerre ausgezeichnet, setzt sich Sangnier nach Kriegsende vehement für eine Aussöhnung mit dem „Erbfeind“ Deutschland ein. In diesem Zusammenhang kritisiert er wiederholt die harten Bedingungen des Versailler Vertrags, stößt damit aber in seiner Heimat weitgehend auf Unverständnis.

An der Idee der Friedenskongresse hält Sangnier gleichwohl fest. Sie finden fortan jährlich statt, nach Den Haag im Dezember 1922 schlüpft im August 1923 mit Freiburg erstmals eine deutsche Stadt in die Gastgeber-Rolle. Angesichts der wenige Monate zuvor begonnenen Besetzung des Ruhrgebiets durch französische Truppen eine kleine Sensation. Die wichtigsten Forderungen der knapp 750 Teilnehmer ähneln jenen von 1921: Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund, dem auch die Frage nach den deutschen Reparationen übertragen werden soll, sowie die Aufhebung der alliierten Rheinlandbesetzung.

Im September 1927 ist mit Würzburg noch einmal eine deutsche Stadt Treffpunkt aller Friedensbewegten. Zwar hat sich die Zahl der Teilnehmer (insgesamt mehr als 5.000) vervielfacht, doch der wiederholte Ruf nach einem friedlichen Miteinander der Völker verhallt weitgehend ungehört. In Frankreich – wo Sangnier mit seiner pazifistischen Grundüberzeugung politisch immer mehr ins Abseits gerät – ebenso wie in Deutschland: Vor dem Hintergrund der aus den USA nach Europa überschwappenden Weltwirtschaftskrise gewinnen hierzulande die tief im Revanchismus verankerten Nationalsozialisten unter Adolf Hitler bald massiv an Zulauf.

Als Reichspräsident Paul von Hindenburg Hitler im Januar 1933 zum Reichskanzler ernennt, besucht Gustav in Altmoorhausen bereits seit fünf Jahren die örtliche Volksschule. Zu seinen von Friedrich Hartmann unterrichteten Mitschülern gehören unter anderem Georg Budde, Heinz Hartmann, Helmut Hartmann und Heinrich Schweers. Mit Halbschwester Klara – die zweite Halbschwester Alma Mathilde ist 1927 an Tuberkulose verstorben – und den beiden jüngeren Schwestern wächst Gustav auf dem ältesten, seit 1657 bestehenden Hof des Dorfes auf, den seine aus Hurrel stammende Mutter Martha als Grunderbin mit ihrem zweiten Ehemann Johann Drieling weiterführt.

Ob Gustav nach Schulabschluss und Konfirmation noch eine Weile auf dem elterlichen Hof lebt oder andernorts in Stellung geht, liegt heute im Dunkeln. Dasselbe gilt für die Umstände, die irgendwann in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre zur Verpachtung des traditionsreichen Betriebs an Friedrich Meyer zu Berstenhorst führen. Verschlägt es Gustav daraufhin nach Hurrel, wo auch Halbschwester Klara Arbeit findet sowie in Gustav Rüdebusch ihren späteren Ehemann? Ist er vielleicht sogar zeitweise auf dem Rüdebusch-Hof (heute: Birgit Ganteföhr) beschäftigt, den sein Namensvetter gemeinsam mit den Brüdern Georg und Heino und der verwitweten Mutter Anna Catharine bewirtschaftet?

Es sind nicht die einzigen offenen Fragen zu Gustavs weiterem Werdegang. Als er im Dezember 1939 allem Anschein nach in Hurrel seinen 18. Geburtstag begeht, tobt bereits seit drei Monaten der durch den deutschen Überfall auf Polen ausgelöste Zweite Weltkrieg. Von da an dauert es vermutlich nicht mehr lange, bis Gustav wie die meisten anderen der mehr als 700.000 jungen Männer seines Jahrgangs einen Stellungsbefehl zur Wehrmacht erhält. Den 20. Geburtstag am 15. Dezember 1941 verbringt er dann – so viel ist verbürgt – auf der Krim als Teilnehmer der Schlacht um Sewastopol. Dort erliegt er zwei Tage später in einem Feldlazarett seinen schweren, durch einen Bauchschuss erlittenen Verletzungen.

Beerdigt ist Gustav einer amtlichen Notiz zufolge rund 20 Kilometer östlich von Sewastopol. Laut Auskunft der Deutschen Kriegsgräberfürsorge ruhen seine sterblichen Überreste heute möglicherweise auf der Kriegsgräberstätte Gontscharnoje, wohin sie nach dem Krieg mit den Gebeinen anderer in der Region gefallenen deutscher Soldaten überführt worden sein könnten. Gesichert ist dies allerdings nicht.