Helmut Friedrich Hartmann wird am 3. Juni 1921 als zweites Kind von Friedrich Hartmann und Anna Hartmann in Altmoorhausen geboren. Er ist der jüngere Bruder von Heinz Hartmann und der ältere Bruder von Harro Hartmann.
In den Wochen um Helmuts Geburt bleibt der zum Teil bewaffnet geführte Kampf um die Zukunft Oberschlesiens eines der beherrschenden Themen in der deutschen und europäischen Politik. So erhebt die nach dem Ende des Ersten Weltkriegs neu entstandene Polnische Republik Anspruch auf die preußische Provinz und wird dabei insbesondere von Frankreich unterstützt. Eine am 20. März 1921 von den Siegermächten organisierte Volksabstimmung war zuvor ohne eindeutiges Ergebnis geblieben: Knapp 60 Prozent der Wähler hatte für einen Verbleib bei Deutschland votiert, der Rest für den Anschluss an Polen. Danach kam es in einzelnen Gemeinden zu Unruhen mit spontanen Übergriffen von beiden Seiten auf die jeweils andere Bevölkerungsgruppe.
In der Nacht vom 2. auf den 3. Mai 1921 versuchen polnische Freischärler, den Staatenwechsel mit Gewalt zu erzwingen. Ihnen stellt sich neben italienischen Völkerbund-Truppen auf deutscher Seite die aus mehreren Freikorps gebildete Organisation Selbstschutz Oberschlesien entgegen und trägt drei Wochen später beim Sturm auf den Annaberg einen entscheidenden Sieg davon. Gleichwohl dauern die Kämpfe weiter an. Erst am 24. Juni gelingt auf britische Initiative hin eine Einigung, in der beide Seiten zustimmen, Oberschlesien von militärischen Verbänden zu räumen. Bis zum am 5. Juli 1921 offiziell verkündeten Waffenstillstand verlieren rund 3.000 Menschen ihr Leben.
Das Problem der künftigen staatlichen Zugehörigkeit ist damit freilich immer noch nicht gelöst. Eine endgültige Entscheidung fällt am 20. Oktober 1921 auf der Pariser Botschafterkonferenz. Sie bestimmt eine Aufteilung der Provinz: Der größere, überwiegend landwirtschaftlich genutzte Teil verbleibt bei Deutschland, während der industriell geprägte Südosten mit seiner Metropole Kattowitz an Polen fällt. Eine Entscheidung, die kaum jemand befriedigt und die Ergebnisse der Volksabstimmung teilweise auf den Kopf stellt. So hatten in Kattowitz rund 85 Prozent der Wahlberechtigten für Deutschland gestimmt, während in den nicht abgetretenen Gebieten weiter diverse Gemeinden mit polnischer Bevölkerungsmehrheit existieren. Aus Protest erklärt in Berlin das Kabinett von Reichskanzler Joseph Wirth am 25. Oktober 1921 seinen Rücktritt. Ein rein symbolischer Akt, der ohne jede Folge bleibt: Am 15. Mai 1922 wird die Teilung mit dem Deutsch-Polnischen Abkommen über Oberschlesien Realität.
Es bleibt nicht die letzte Prüfung für die junge deutsche Republik. Am 24. Juni 1922 ermorden Extremisten der Organisation Consul Reichsaußenminister Walther Rathenau, im Januar 1923 besetzen französische und belgische Truppen das Ruhrgebiet und im November 1923 folgt der Hitler-Ludendorff-Putsch. Über alledem galoppiert die Inflation von Rekord zu Rekord. Letzteres ein Ereignis, das bei Helmut anders als beim 15 Monate älteren Bruder Heinz vermutlich keinerlei Erinnerung hinterlässt, das den Eltern aber wie allen anderen davon betroffenen Erwachsenen schwer zu schaffen macht.
Helmuts allerorten nur Fritz gerufener Vater hat 1919 in Altmoorhausen die vakante Stelle des Dorfschulmeisters angetreten und hält seine am Silvestertag 1923 um ein weiteres Mitglied gewachsene Familie mit dem hinten und vorne nicht reichenden Lehrergehalt mehr schlecht als recht über Wasser. Immerhin, die in Cornau im Landkreis Diepholz und Ellenserdamm bei Dangast ansässigen Großeltern helfen regelmäßig mit Naturalien aus, und wenn im Krisenjahr 1923 in Deutschland etwas floriert, dann ist es die Tauschwirtschaft.
Mit der kurz vor der Geburt von Bruder Harro eingeführten Rentenmark entspannt sich die Lage, es folgen die vielzitierten „Goldenen Zwanziger“. Mag dieser Begriff auch eher auf den Wirtschaftsaufschwung und das kulturelle Leben in Metropolen wie Berlin oder München gemünzt sein und in vielen ländlich geprägten Regionen ein Fremdwort bleiben – eine halbwegs unbeschwerte Kindheit ermöglichen die neuen Zeiten allemal. Das gilt auch für Helmut und seine beiden Brüder, die im von den Eltern bewohnten Schulhaus aufwachsen und folglich von all ihren Mitschülern den kürzesten Schulweg haben. Zu Helmuts nahezu gleichaltrigen Klassenkameraden nach der Einschulung gehören Georg Budde und Heinrich Schweers, mit denen er vermutlich auch in der Freizeit viel unternimmt.
Einen Teil seiner Sommerferien verbringt Helmut jeweils in Cornau und Ellenserdamm. In Cornau bewirtschaftet Großmutter Dorothee mit ihrer durch den Krieg verwitweten Schwiegertochter Johanne und den beiden Enkelinnen Herta und Hanni einen rund 40 Hektar großen Bauernhof, den 1932 Hertas Ehemann Heinrich Hagedorn übernimmt. In Ellenserdamm wiederum führt Tante Frieda – Dorothees bis zu dessen Kriegstod mit dem Bruder von Anna Hartmann verheiratete Tochter aus Cornau – einen von Schwiegervater Elimar Rust übernommenen Gasthof und betreibt nebenher ebenfalls ein wenig Landwirtschaft. Dass Helmut an beiden Ferienorten als Erntehelfer gefordert ist, versteht sich von selbst. Weckt das in ihm den Wunsch, später selbst Landwirt zu werden? Gut möglich, doch entsprechenden Anschauungsunterricht gibt es auch in Altmoorhausen in der näheren Umgebung des Schulhauses zur Genüge.
Wie auch immer: Nach Schulabschluss und Konfirmation geht Helmut in Sande auf dem Hof seiner Tante Antonie Harms – eine Schwester von Mutter Anna – und ihrem Ehemann Hartwig Harms in die Lehre und besucht dort auch die Landwirtschaftsschule. Wie oft Helmut und Bruder Heinz, der seit 1934 in Cornau lebt und dort aufs Gymnasium geht, in dieser Zeit die Eltern und den in Altmoorhausen verbliebenen Bruder Harro besuchen, ist nicht überliefert. Anders als Heinz aber ist Helmut an jenem schicksalhaften ersten Sonntag des Jahres 1937 nicht vor Ort, als sich Harro mit einem zu Weihnachten geschenkten Kleinkalibergewehr nach gedankenverlorenem Spiel versehentlich eine tödliche Verletzung zufügt. Eine Tragödie, die allen Familienmitgliedern lange in den Knochen steckt.
Nach bestandener Abschlussprüfung arbeitet Helmut in Silland auf dem Hof von Oltmann und Margarete Boekhoff, fünf Kilometer von Sande und zwölf Kilometer von Ellenserdamm entfernt. Margarete Boekhoff ist die ältere Schwester von Anna Hartmann und Antonie Harms und somit ebenfalls eine Tante. Es ist die Zeit, in der die Anfang 1933 an die Macht gekommenen Nationalsozialisten um Adolf Hitler außenpolitisch einen Erfolg nach dem anderen feiern: im März 1938 den Anschluss Österreichs, im September 1938 die dem Münchner Abkommen folgende Abtretung der sudetendeutschen Gebiete durch die Tschechoslowakei, im März 1939 die Errichtung des Reichsprotektorats Böhmen und Mähren und die Rückgewinnung des Memelgebiets sowie schließlich im August 1939 den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt, der den Weg freimacht für den Überfall auf Polen. Letzterer geht nahtlos in den Zweiten Weltkrieg über, in dem die Wehrmacht anfangs ebenfalls von Triumph zu Triumph eilt und bis 1942 weite Teile Europa erobert.
Wann Helmut in diesen mörderischen und am Ende in der totalen Niederlage endenden Strudel hineingezogen wird, ist anders als im Falle seines Bruders Heinz nicht exakt überliefert. In späteren Erzählungen ist lediglich von einem Einsatz in Russland die Rede, der frühestens mit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 begonnen haben kann. Dort ist Helmut unter anderem als Kradmelder eingesetzt. Namentlich bekannte Kriegskameraden in dieser Zeit sind Artur Peters aus Neustadtgödens und Harro Springer aus Wilhelmshaven, mit denen er auch nach 1945 in Kontakt bleibt.
Kurz vor Kriegsende wird Helmut verwundet und erkrankt darüber hinaus an Gelbsucht. Beides bewahrt ihn vermutlich davor, noch in den letzten Monaten an der Front verheizt zu werden oder wie Heinz Hartmann in russische Gefangenschaft zu geraten. Schon unmittelbar nach Kriegsende kehrt er nach Altmoorhausen zurück, wo Vater Fritz noch immer als Volksschullehrer arbeitet und wo außer seinen Eltern noch jemand anders sehnsüchtig auf ihn wartet: Johanne Westerholt, Dienstmädchen beim örtlichen Bäcker und Kolonialwaren-Händler Otto Breas. Wann und unter welchen Umständen sich Helmut und Johanne in den turbulenten Jahren zuvor kennengelernt haben und seit wann beide offiziell ein Paar sind, liegt heute im Dunkeln. Beide heiraten am 24. Januar 1946 in Wardenburg und nehmen danach auf dem Hof von Johannes seit Dezember 1945 verwitweten Mutter Anna Westerholt in Charlottendorf Ost in einer ausrangierten Wehrmachts-Baracke Quartier.
Im Mai 1946 kommt in Oldenburg Helmuts und Johannes Sohn Harro zur Welt. Helmut hat in der Zwischenzeit eine Anstellung bei einer Tiefbaufirma in Wardenburg gefunden und arbeitet darüber hinaus wie Johanne auf dem im Krieg komplett zerstörten und von Johannes Halbbruder Georg wieder aufgebauten Westerholt-Hof mit. Das ist jedoch nur eine Übergangslösung. Langfristig schwebt Helmut ein eigener Hof mit Milchviehzucht vor, wie er es vor dem Krieg bei seinen Tanten in Sande und Silland kennengelernt hat. Diese Perspektive bietet ihm ganz in deren Nähe der Pachthof von Gesine Gerdes in Schoost bei Schortens. Dorthin siedeln Helmut und Johanne mit Harro im Herbst 1948 über und stellen sich mit ein paar gekauften Rindern sowie einigen später mit nachgeborenen Kälbern abbezahlten Leihgaben aus der Verwandtschaft auf eigene Füße. Im April 1951 macht dann Tochter Ingrid die Familie komplett.
Der Start in die Züchter-Karriere gelingt, ersten Einträgen ins Herdbuch folgen schon bald Prämierungen auf örtlichen Viehmärkten. Außer Rindern züchtet Helmut auch Schafe und versucht sich zudem früh an der Herstellung von Grassilage. Dazu bindet er Baustahlmatten kreisförmig zusammen, wobei der darin aufgeschichtete Grasschnitt durch viel Treten verdichtet wird. Eine mitunter schweißtreibende, aber durchaus von Erfolg gekrönte Arbeit, wie sich Sohn Harro noch Jahrzehnte später erinnert. Weil die Herde beständig wächst, pachtet Helmut noch weiteres Grünland hinzu und erhöht die Wirtschaftsfläche damit auf insgesamt 17 Hektar.
Mitte der 1950er Jahre plant Helmut auch in die Schweinezucht einzusteigen – stößt damit aber bei seiner nach wie vor mit auf dem Hof wohnenden Verpächterin auf Widerstand: Ein Schweinestall direkt hinter dem Haus, das ist so gar nicht nach ihrem Geschmack. Helmut behilft sich, indem er beim örtlichen Maurermeister Otto Onnen einen Stall aus Fertigbetonteilen in Auftrag gibt, damals einen der ersten seiner Art. Bei Pachtaufgabe hätte er ohne größeren Aufwand wieder abgebaut werden können. Genutzt wird das Bauwerk indes 70 Jahre später immer noch, wenn auch mittlerweile für die Hobby-Pferdezucht statt für den ihm ursprünglich zugedachten Zweck.
Eine große Rolle in den Anfangsjahren spielt die Nachbarschaftshilfe. Weil Helmut und Nachbar Rudi Harms zunächst jeweils nur ein Pferd besitzen, stellen beide daraus für die Ackerarbeiten ein Gespann zusammen und unterstützen sich so gegenseitig. Daneben organisiert Helmut in Schoost in Zusammenarbeit mit der örtlichen Landwirtschaftskammer regelmäßig Vortragsveranstaltungen zum Thema Viehzucht. Der enge Zusammenhalt im Dorf zeigt sich auch an anderer Stelle, bei gemeinsamen Feiern ebenso wie beim winterlichen Klootschießen.
Eine solide Basis also, auf der sich auch in den 1960er Jahren und darüber hinaus hätte aufbauen lassen. Indes, dazu kommt es nicht. Noch vor Anbruch des neuen Jahrzehnts erkrankt Helmut an Krebs, der im August 1959 eine Operation im Krankenhaus Sanderbusch erforderlich macht. Letztlich ohne Erfolg: Helmut stirbt kurz darauf, am 26. August 1959, im Alter von nur 38 Jahren und wird drei Tage später in Hude auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche beigesetzt.